Wie ich meine Leidenschaft fand
Ja, das geht. Ich habe es gemacht. Es war nicht einfach, aber es funktioniert.
Anfang 2015 habe ich meinen sehr gut bezahlten Job als Global Managing Partner Assistant in einer renomierten, internationalen Wirtschaftskanzlei gekündigt. Einfach so und ohne Plan. Es hatte acht Jahre gedauert, bis ich endlich den Mut zu diesem Schritt gefunden hatte. Acht Jahre plus Ausbildung. Dieser Schritt veränderte mein Leben. Heute arbeite ich mit Leib und Seele als selbstständige Hochzeits- und Paarfotografin.
Bereits in der Ausbildung zur Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten wusste ich, dass dieser Beruf nicht zu mir passte. Aber wie das leider so ist: “Kind, du musst erst einmal eine Ausbildung haben. Arbeit soll keinen Spaß machen.” Kennst Du diese Sprüche auch?
Zum Ende meiner Ausbildung hin, hatte ich mich bei diversen Amts- und Landgerichten in Münster, Köln, Frankfurt beworben. Irgendwie zog es mich wohl damals schon aus unserem Dorf raus. Leider fühlte ich mich nirgends wohl. Die Einstellungstests und Bewerbungsgespräche waren sowas von unpersönlich. Unpersönlich fand ich schon immer blöd. Außerdem wurde ich oft belächelt, wenn ich erzählte, dass ich vielleicht noch Jura studieren wollen würde. Das kleine Mädchen aus dem Dorf, das hoch hinaus will. Ja, ja …
Meine damalige Auszubildende aus dem ersten Lehrjahr erzählte mir dann von einer Freundin, die gerade aus den USA zurückkam. Sie war dort ein Jahr als Au Pair. Das fand ich super interessant und besuchte einen Informationstag der Organisation. Sechs Wochen später saß ich im Flugzeug nach New York City. Die Aufregung war groß, das kann ich Dir sagen.
Das Auslandsjahr war wirklich sehr abenteuerlich und hat sich absolut gelohnt. Da ich danach leider immer noch nicht wusste, was ich beruflich machen will, habe ich Google nach “internationale Anwaltskanzleien in Deutschland” gefragt und eine Wirtschaftskanzlei in Frankfurt am Main gefunden. Bewerbung, Umzug und erster Arbeitstag innerhalb von vier Wochen. Vier Jahre später stand ein Umzug nach Hamburg an, in der Hoffnung, dass der Job zwar weiterhin mies ist, aber mir die Stadt zumindest besser gefällt. Dem war auch so. Meine Zeit in Hamburg war richtig gut. Aber auch dort schleppte ich mich täglich zur Arbeit. Mir machte es einfach keinen Spaß.
Nach insgesamt vier Kanzleien (einschließlich der Ausbildungsstelle) und drei Orten, fand ich endlich den langersehnten Mut zu kündigen. Ich hatte kein Plan und wusste auch dann immer noch nicht, was ich eigentlich machen will, aber es musste nun einfach sein. Ich musste raus! Raus aus diesem Umfeld, weg von der stupiden Arbeit.
Nach der Kündigung kündigte ich die Wohnung, verkaufte alles, was ich noch zu Geld machen konnte, und packte meinen Rucksack. Schon ewig schwirrte in meinem Kopf der Wunsch zu reisen. Endlich machte ich diesen Wunsch zur Realität. Erst USA, kurzer Zwischenstopp in der Heimat, dann Singapur, Indonesien und Australien. Insgesamt war ich vier Monate unterwegs. Nicht nur im Flugzeug gab es Höhen und Tiefen. Die Erfahrung möchte ich nicht missen. Es war das Beste, was ich in meinem bisherigen Leben gemacht habe.
Auf Reisen lebte ich mein Hobby – die Fotografie. Es war so schön, besondere Erinnerungen festzuhalten. Das Kreative machte mir Spaß. Somit schmiedete ich den Plan, dass ich mein Abitur nachholen und Kommunikationsdesign studieren werde. Zuhause kam dann zwar doch wieder alles ganz anders. Aber manchmal ist das eben so. Alles, was passiert, hat seinen Grund. Da bin ich mir sicher!
Ich holte mein Fachabitur an der Fachoberschule für Gestaltung nach und beendete das Schuljahr (ich war bei Weitem die älteste Schülerin) als Jahrgangsbeste und musste feststellen, dass ich doch nicht so schlecht in Mathe war, wie ich früher in meiner Schulzeit angenommen hatte. Das Schuljahr finanzierte ich mit BAföG und der Fotografie. Dass ich mit Fotografie Geld verdienen könnte, war mir vorher gar nicht so bewusst. Geplant war das auch nicht. So stand ich am Ende des Schuljahres vor der Wahl: Studieren oder hauptberuflich fotografieren? Mein Herz stellte mir in dem Moment die richtige Frage. Warum sollte ich noch studieren, wenn ich doch schon meinen Traumjob gefunden habe!? Die Fotografie macht mir nicht nur Spaß, sondern gibt mir auch ganz viel. Es ist ein dankbarer Beruf und hat eine durchweg positive Grundlage. Ich arbeite mit Menschen zusammen, lerne ihre Geschichten kennen, erlebe und sehe Liebe. Liebe, die ich festhalten kann. Was gibt es Schöneres?
Seitdem arbeite ich als selbstständige Fotografin. Das ist die Kurzfassung meines Weges – zumindest bis hierhin. Das Ende ist nämlich noch nicht zu sehen. Es geht immer weiter. Wege entwickeln sich. Das macht das Leben spannend!

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